Dances with Wolves

Der erste Morgen in der neuen Welt könnte früh beginnen, zu früh, wie wir uns gemeinschaftlich entscheiden und so beschließen wir, doch noch nicht um fünf Uhr aufzustehen, auch wenn es der Jet Lag eigentlich möglich machen würde. Länger wie weitere zwei Stunden halten wir es aber nicht aus, Carpe Diem haben wir uns auf die Fahnen geschrieben und verlassen unsere Unterkunft nach einer erfrischenden Dusche zu dem Zweck, uns einen schönen Platz für unser Frühstück zu suchen. El Segundo hatte den Zuschlag für die erste Unterkunft unserer Reise bekommen, weil dieser Vorort von Los Angeles eigentlich eine schöne Strandpromenade samt reichhaltiger Gastronomie aufweisen soll, gefunden haben wir sie an diesem Morgen leider aber nicht. Statt dessen stehen wir erst mal vor einem noch geschlossenen Strandcafe, dem einzigen weit und breit. Ich bin ja grundsätzlich so, dass mir solche Suchaktivitäten noch vor dem ersten Kaffee am Morgen grundsätzlich tierisch auf den Zeiger gehen und ich muss mich schon etwas beherrschen, um das meine anderen Herdentiere nicht gleich merken zu lassen. Ich muss aber nicht wirklich lange leiden, wir finden dann doch recht schnell im nächsten Ort ein kleines Frühstückscafe mit ansprechender Frühstückskarte und für amerikanische Verhältnisse wirklich genießbarem Kaffee.

Danach machen wir uns noch an den kurzen Abstieg zum Manhatten Beach, vorbei an lauter kleinen und schnuckeligen Häuschen, Feriendomizile vermutlich, und beim Anblick des Pazifiks gibt es für das Herdenbaby dann sowieso kein Halten mehr, Schuhe aus und rein. Leider bleibt insgesamt nur ganz wenig Zeit, durch das Reservierungsproblem haben wir jetzt zwei Stunden weniger Zeit für am Strand abhängen und suchen also zügig unser Auto auf um Richtung Osten, genauer gesagt in Richtung Palm Springs aufzubrechen.

Unser erstes Ziel ist das Wolf Mountain Sanctuary, eine privat betriebene Auffangstation für Wölfe aus ganz Nordamerika. Ich hatte am Vortag beim Telefonat mit den Betreibern der Einrichtung eher den Eindruck gewonnen, dass hier alles sehr kommerziell ausgerichtet sein würde und hatte schon meine Zweifel, ob das Erlebnis bei meinen Reisebegleitern den erhofften Impact haben würde, meine Sorgen erwiesen sich aber als unbegründet. Die Betreiber waren sehr freundlich und nahmen sich sehr viel Zeit für uns. Wir konnten sehr viele tolle Bilder von und mit den Wölfen machen und die Tiere haben sogar bei mir, der sonst eher zurückhaltend ist, wenn es um nicht in Freiheit lebende Lebewesen geht, großen Eindruck hinterlassen.

Nach knapp zwei Stunden machen wir uns wieder auf den Weg, weiter Richtung Palm Springs bzw. unserem Tagesziel Palm Desert, einem weniger versnobten Vorort, den in Palm Springs regieren die meist etwas betuchteren Golfspieler und die Unterkünfte sind – bei gleichermaßen mittelmäßigem Standard wie anderswo – deutlich zu teuer.

Auf dem Weg zu unserer Unterkunft erleben wir noch ein Naturschauspiel der besonders eindrücklichen Art. Mitten in der kalifornischen Wüste geht plötzlich ein derart heftiger Regenschauer nieder, dass sowohl wir als auch zahlreiche andere Fahrzeuge erst mal am Straßenrand halt machen um abzuwarten, bis man wieder einigermaßen Sicht durch die Windschutzscheibe hat. In weniger als fünf Minuten werden die neben den Straßen laufenden Arroyos zu kleinen Bächen und auf den Straßen steht das Wasser schnell richtig hoch, so dass man sich erst mal überlegt, ob man da mit dem Auto so einfach durchfahren kann, ohne gleich die Bodenhaftung zu verlieren. Nach wenigen Minuten ist dann aber alles auch schon wieder vorbei und schon wenige Meilen weiter hat der Boden keinen einzigen Tropfen Regen abbekommen.

Wir logieren diesmal im Comfort Inn & Suites, und obwohl es am Vortag noch hieß, man könne dort keine Reservierung von uns finden, verläuft der Check in ganz unkompliziert. Unser Zimmer hat den erwarteten amerikanischen Standard an Größe und Ausstattung, es gibt diesmal auch für jeden ein ordentliches Bett. Das vermisste Gepäckstück ist leider natürlich noch nicht eingetroffen, was mich erst mal dazu zwingt, ein weiteres Telefonat mit KLM zu führen anstatt mich vor dem Abendessen erst mal noch im Pool etwas zu erfrischen. Bei KLM ist man eher etwas ratlos, der Typ am anderen Ende nuschelt so dermaßen, dass ich ihn wirklich kaum verstehen kann. Ich nehme aus dem Gespräch mit, dass der Koffer um 17:30 Uhr, also zeitgleich mit unserer Ankunft im Hotel auf die Reise gegangen sein soll, das Zeitfenster für die Auslieferung liegt bei 12 Stunden. Demnach müsste der Koffer irgendwann im Laufe der Nacht hier eintreffen, spätestens aber bis zum nächsten Morgen sollte er hier im Hotel stehen. Unsere Rezeptionistin, eine Frau Zimmermann, die sehr viel Anteil an unserer Geschichte nimmt verspricht uns, sich sofort zu melden, wenn das Gepäckstück eintrifft, und wir machen uns auf den Weg ins Fresh Agave, einen im Netz viel gepriesenen Mexikaner, bei dem ich schon von zu Hause aus einen Tisch reserviert hatte. Dass das keine schlechte Idee war, zeigen die vielen Menschen, die sich im Eingangsbereich tummeln und auf einen freien Tisch warten. Leider warten aber auch wir erst mal eine Weile, denn man hatte unseren Tisch irrtümlich für den Vortag reserviert. Ja, irgendwie hakt es diesmal anfänglich noch ein bisschen mit so einigem.

Das Essen im Fresh Agave ist wirklich sehr gut, auch die Cocktails müssen sich nicht verstecken. Die für mexikanische Restaurants aber scheinbar unvermeidbar hohe Lautstärke trübt den Gesamteindruck aber ein wenig, und so verzichten wir auch auf ein Dessert oder eine weitere Runde an Getränken und fahren zurück ins Hotel. Wir vereinbaren noch, dass man uns bitte anrufen soll, wenn der Koffer eintrifft, egal zu welcher Zeit, und fallen dann um kurz nach zehn in unsere Betten.

Aller Anfang … ist auch manchmel schwer

Einen Wecker brauchen wir traditionell eigentlich nicht, wenn wir uns in der Nacht vor dem Abflug zu einer Übersee-Reise noch einmal auf’s Ohr legen, denn wirklich schlafen können wir trotz aller vermeintlichen Routine nie. Und so sind wir auch alle bereits um 3:30 Uhr mehr oder weniger frisch und munter in unserer Küche versammelt, um uns dort bei aller Unausgeschlafenheit erst mal gehörig auf die Nerven zu gehen. Zum Glück ist unser Flughafen-Shuttle mehr als pünktlich und wir können endlich in das neue Abenteuer starten.

Ein echtes Durchstarten ist es aber erst mal nicht, denn so schnell und stressfrei wir durch den Security-Check am Münchner Flughafen kommen, im Flieger ist erst mal Schluss mit zügigem Vorankommen. Erst gibt’s Geschiss mit dem Gepäck-Workflow, dann wird in Amsterdam eine Landebahn geschlossen, was uns dazu zwingt, eine Stunde länger als geplant in München auf dem Vorfeld zu parken. Die Ankündigung unseres Flugkapitäns, dass möglicherweise nicht alle Anschlussflüge erreicht werden können, treibt uns bereits erste Schweißperlen auf die Stirn. Aber apropos Gepäck: Liebe KLM-Bodencrew, falls es bei Euch einen internen Wettbewerb geben sollte, wer welches Gepckstück aus der maxmial größten Entfernung noch ins Flugzeug werfen kann, dann macht das doch bitte künftig mit Sandsäcken und nicht mit unseren doch nicht ganz günstigen Koffern. Die sehen nämlich jetzt aus, als hätten sie schon unsere Großeltern in Kriegszeiten verwendet.

In Amsterdam bricht dann zunächst mal etwas hektische Aktivität aus, denn wir müssen in sportlichen 40 Minuten zu unserem Gate im anderen Abflugmodul. Wir schaffen es noch gerade so, am Gate ist außer uns schon kein Mensch mehr, da wird kurz vor dem Einsteigen noch mal ein Mitglied unserer Gruppe zur separaten und höchst ausführlichen Inspektion gebeten. Hinweise auf Sprengstoff sind das begehrte Ziel der Kontrolleure, die die Sache aber wesentlich Gelassener und mit mehr Humor betrachten, als wir das im Moment können. Unsere Chef-Stewardess unterstreicht die inzwischen leicht angepsannte Situation noch mit einem “Ah, da sind Sie ja, wir haben Sie schon früher erwartet”, dann kann es aber endlich losgehen.

Elf Stunden Flug vergehen tatsächlich so langsam, wie elf Stunden Flug eben vergehen, wirklich sehr langsam. Ich muss feststellen, dass auch die neuesten Gadgets aus dem Bereich der Travel Pillows hieran nichts ändern können, trotz State of the Art-Reisekissen und Ohrstöpseln ist an Schlaf so gut wie nicht zu denken. Irgendwann ist es aber dann überstanden und die letzte STunde im Anflug auf Los Angeles wird dann schon von den begeisterten und erstaunten Ausrufen unseres Herdenbabys bereichtert, das sich an den landschaftlichen Besonderheiten gar nicht satt sehen kann.

Wie gewohnt verläuft der eigentliche Vorgang der Einreise in die USA zügig und von der Hilfsbereitschaft des Flughafenpersonals unterstützt ab. Wir dürfen wieder an einen speziellen Schalter zu einem diesmal weiblichen Immegration Officer und dort unsere biometrischen Besonderheiten hinterlassen. Gefragt werden wir diesmal kaum etwas, die Dame, die früher vermutlich mal einen Kampfpanzer durch ein Kriegsgebiet gesteuert hat, bevor sie ihren jetzigen Job antreten durfte, ist an Small Talk eher nicht interessiert, soll uns aber nur recht sein. Die nächste wirklich unschöne Überraschung dann bei der Gepäckabholung. Wir warten fast 30 Minuten, trotzdem kommen nur zwei unserer insgesamt drei aufgegebenen Gepäckstücke vorbei. Eine Nachfrage beim zuständigen Mitarbeiter ergibt schnell, dass es sechs Koffer leider nicht von Amsterdam nach Los Angeles geschafft haben, dabei auch das nagelneue Prunkstück des Herdenbabys. Das ist natürlich bitter, wenn der erste USA-Trip mit so einem Blödsinn starten muss. Die Dame vom Gepäckservice verspricht, dass der Koffer vermutlich schon am Folgetag an unser Hotel nachgeschickt wird, spätestens aber am Tag darauf. Erst auf Nachfrage teilt sie mir mit, dass wir jetzt 100 Dollar ausgeben dürfen, um wenigstens ein paar Klamotten zu kaufen, das ist im Zeitplan natürlich nicht vorgesehen, aber hilft ja auch nix.

Weiter geht es durch den Zoll, diesmal auch reichlich unspektakulär und ohne große Rückfragen. Natürlich habe ich wieder die obligatorischen Gummibärchen im Gepäck, das macht mir inzwischen aber natürlich auch keine Bauchschmerzen mehr :-).

Im Bus zu Alamo sind wir fast die einzigen Fahrgäste, und auch bei Alamo selbst ist die Schlange an den Countern überschauber kurz. Der Mitarbeiter dort zeigt uns bunte Bildchen von Automodellen und erklärt uns, dass der riesige jeep Grand Cherokee wesentlich mehr Platz für unser Gepäck bietet, als das von uns vorgebuchte Midsize SUV. In Mathe hat er also scheinbar aufgepasst. Kommunikativ ist er leider nicht so gut aufgestellt, denn unsere Beteuerungen, dass wir nicht für 25 $ am Tag ein Upgrade auf die höhere Kategorie buchen möchten, ignoriert er mit Beharrlichkeit, bis ihm dann aufzugehen scheint, dass er bei uns kein Geschäft machen wird. Draußen können wir uns dann unter den verfügbaren Fahrzeugen eines aussuchen, ein schöner roter Pathfinder wie vor sechs Jahren ist leider nicht dabei, insgesamt wirken die Autos schon alle recht ramponiert und die überschaubare Auswahl läßt uns doch länger zwischen den verfügbaren Modellen hin- und herlaufen. Wir entscheiden uns schließlich für einen farblich unauffälligen Dodge Journey. Mit einem ähnlichen Modell sind wir 2013 an der Ostküste ganz gut gefahren.

Die ersten Kilometer durch den Wochenendverkehr von Los Angeles sind wie immer ein großes Abanteuer, gerade wenn man aus der Airport Area erst mal raus muss. Unser Hotel ist aber nur vier Meilen entfernt und wir erreichen es ziemlich zügig. Das Courtyard in El Segundo sieht aus wie alle anderen Hotels dieser Kette, in denen wir bisher übernachtet haben, das Zimmer ist vergleichsweise klein und das dritte Bett besteht aus einem eher unbequemen Sofabett.

Bevor wir unsere ersten Erkundungsgänge machen können, muss ich erst noch ein paar Telefonate führen. Leider erweisen sich die Ergebnisse erst mal als Stimmungskiller. Ich muss erfahren, dass man an unserem Ausflugsziel für den Folgetag nichts davon weiß, dass ich dort im Voraus eine Tour gebucht habe. Das könnte ich zwar auch jetzt noch machen, unser Zeitplan kommt damit aber etwas durcheinander und wir müssen damit auf einen entspannten Vormittag am Strand wohl verzichten, naja … Als nächstes möchte ich unser nächstes Hotel informieren, dass man dort eventuell einen Koffer für uns hinschicken wird und sie ihn doch bitte annehmen sollen. “Alles schön und gut”, sagt die Dame am anderen Ende zu mir, “ich kann aber keine Buchung unter Ihrem Namen finden”. Witzig? Nicht so richtig. Ein Anruf beim Buchungsdienstleister kann das Problem nach längerer Wartezeit in der Warteschlange dann lösen, es gibt natürlich eine Buchung und es wird nicht ganz klar, wo eigentlich das Problem gelegen hat.

Wir machen uns dann endlich auf, in einem Supermarkt ein paar grundsätzliche Dinge für unseren On The Road-Alltag zu erwerben, hauptsächlich Getränke und Snacks. Es gibt dann auch noch ein paar Klamotten für das Herdenbaby, auf die sicher total unkomplizierte Rückabwicklung bei KLM bin ich schon jetzt richtig gespannt.

Speziell ich bin zu diesem Zeitpunkt schon so müde, dass ich eigentlich nichts dagegen hätte, nur noch ins Bett zu fallen, obwohl es erst kurz nach fünf Uhr am nachmittag ist. Weil der Plan aber vorgesehen hat, dass wir wenigstens einen kurzen Abstecher nach Downtown LA unternehmen, das Schafi aber ein bisschen Sorgen bezüglich seiner Fahrtüchtigkeit hat, wird mal wieder was neues ausprobiert und ich kann endlich mal die auf meinem Smartphone vor sich hinstaubende App von Uber testen. Dieser bei uns ja eher stiefmütterlich behandelte und aus den Städten getriebene Service erfreut sich hier großer Beliebtheit, und es dauert keine fünf Minuten, bis der angekündigte Toyota mit unserem chinesischen Fahrer eintrifft. Auch wenn dieser zunächst nicht begeistert über das Fahrziel zu sein scheint, verbringen wir mit ihm kurzweilige 40 Minuten, er spricht viel mit uns und bei Ausländern in den USA hat man sowieso immer nicht so viel Angst, etwas falsches zu sagen, da kann auch ich erst mal richtig gut üben und wieder etwas in den korrekten Gebrauch der Sprache finden.

Erstes Ziel in Downtown ist dann das Hard Rock Caf+e, danach erfreuen wir uns ein bisschen am inzwischen erwachten Leben am Hollywood Boulevard,, das sorgt schon eher für etwas Urlaubsstimmung, vor allem das Herdenbaby kann sich nicht beruhigen. Nächstes und letztes Ziel ist dann das High Voltage Tattoo Studio von Kat van D. Auf dem Weg dort hin stoppen wir aber erst mal für ein längst überfälliges Abendessen. Die Wahl fällt auf das etwas abseits liegende und menschenleere Hollywood Rolls, ein Poké-Restaurant. Das Schafi ist anfangs noch etwas skeptisch und sieht sich schon im Burger King nebenan einkehren, ist dann aber von seinem Gericht so begeistert, dass es dazu nicht mehr kommt. Wer hier mal vorbeikommt, wir können den Besuch absolut empfehlen.

Der Stop im High Voltage erweist sich letztlich leider als letzter Reinfall des Tages, an der Tür hängt ein Zettel, dass man ausgerechnet heute etwas früher schließen musste, das Herdenbaby ist traurig, trägt es aber mit Fassung.

Auf der Rückfahrt zum Courtyard erwischen wir diesmal einen sehr schweigsamen Fahrer, was nicht weiter schlimm ist, denn uns allen fallen auf der Fahrt schon mehrfach die Augen zu. Zurück am Hotel fallen wir fast noch angezogen in die Betten, gerade erst kurz vor elf, schwache Leistung :-).