If you’re going to San Francisco, you should wear a Windjacke (18. / 19.09.)

Unser Abschied von Groveland, dem Yosemite Rose und seiner Betreiberfamilie dauert lange, sehr lange. Zuerst lassen wir uns mal viel Zeit mit dem Frühstück, außer uns sind nur noch zwei weitere Paare als Gäste im B&B und das sind meist die Konstellationen für gegenseitiges Ausfragen über Herkunft und weitere Reiseziele, so auch an diesem Morgen. Zudem ist auch Don schon auf den Beinen und in Höchstform dabei, jedem von dem “amazing man” zu berichten, den er gerade in seinem Haus zu Gast hat. Auch wenn ich persönlich etwas Mühe mit dieser für mich weitaus übertriebenen Sicht auf meine eigene Person habe, wenn er es so sieht, soll es mir recht sein. Vielleicht werden wir so ja eher als potentielle Kandidaten für die Übernahme des Familienbetriebs in Erwägung gezogen, zögern würden wir sicherlich nicht.

Als ich das Auto schon mit unserem Gepäck belade, kommt Don noch mal mit raus und wir reden wieder eine halbe Stunde über dies und das, im Anschluss gibt es wieder Hugs und ich muss unbedingt noch mal mit nach drinnen kommen, wo der Rest in der Familie in der Küche rotiert. Erst als seine Frau von draußen so laut nach ihm ruft, dass auch der schwerhörige Don es hören muss, sieht er ein, dass es jetzt Zeit wird, dass alle ihrer Wege gehen. Wie beim letzten Mal bis zum Schluss winkend steht er in seiner Zufahrt und verabschiedet uns nach San Francisco, wo, wie er dem Schafi vorher mehrfach eindrücklich erläutert hat, man höllisch aufpassen muss wegen der vielen Einbahnstraßen und aller anderen Gefahren einer so verrückten Stadt.

Am Vorabend wurde uns erklärt, dass es sich bei San Francisco um eine sogenannte Sanctuary City handelt, eine Stadt, in der es scheinbar einen besonderen Schutz für Immigranten vor Strafverfolgung durch die Ausländerbehörden gibt, ein Konzept, das mir so noch nicht bekannt war und dessen Hintergründe ich bei nächster Gelegenheit noch mal googeln muss.

Der Weg in die Stadt verläuft – abgesehen vom starken Verkehr – eher unspektakulär, vorbei an zahlreichen Obstplantagen. Auch in der Stadt bleibt uns diesmal ein nervenaufreibender Ritt über die Hügel von San Francisco erspart, unser Hotel, das Fusion, ist nur ca. vier Turns vom Highway entfernt, daneben befindet sich – wie vorher recherchiert – eine noch halbwegs erschwingliche 24/7-Parkgarage, wo unser kleiner für 36 $ am Tag sicher unterkommt.

Das Zimmer im Fusion ist größer als erwartet, allerdings empfängt es uns mit einem unangenehmen Geruch nach Essig oder etwas ähnlichem. Allerdings ist es sauber.

Da wir bei unserem letzten Besuch nur zwei Straßen weiter Richtung Pazifik gewohnt haben, finde ich mich noch ziemlich gut zurecht und wir landen gleich in Chinatown. Neben einigen der zahlreichen kleinen Läden steht hier endlich auch mal ein Besuch einer Eastern Bakery auf dem Programm und ich bekomme endlich zwei der von mir so sehr geliebten Moon Cakes. Leider sehen wir zu spät, dass sie in der Bäckerei jede Menge verschiedentlich gefüllter Exemplare anbieten, ich hätte sonst gleich noch mal ein paar mehr mitgenommen.

Wir setzen unseren Weg fort, weiter Richtung Norden, hinunter zu den Piers. Am Pier 39 gibt es dann erst mal einen späten Lunch, bestehend aus den überall erhältlichen deep fried Calamaris und einem Fischsandwich. Danach folgt ein Besuch im Hard Rock Café, bevor wir uns auf den Weg zum Pier 33 machen, wo in Kürze die vorgebuchte Tour zum Abendrundgang durch Alcatraz startet. Leider ist es heute sehr windig und schon fast kühl, kein Vergleich zu unserem letzten Besuch, die Überfahrt mit der Fähre bietet daher heute auch nicht so viele schöne Ausblicke auf die Golden Gate Bridge und die Skyline von San Francisco. Auf der Knastinsel begeben wir uns gleich auf die Audiotour, ich höre sie mir diesmal auch in Deutsch an, weil ich herausfinden möchte, ob sie in der Übersetzung auch so eine atmosphärische Dichte mitbringt, wie das englische Original. Wie erwartet ist es den Machern aber nicht anz gelungen, die Originalkommentare wirken einfach authentischer als die verhältnismäßig gut gelungene Übersetzung. Leider fällt uns gleich noch etwas auf, der Audiorundgang wurde in den letzten Jahren wohl stark komprimiert und dauert jetzt nur noch 45 Minuten. In der Version, die wir noch 2011 zu hören bekamen, waren wesentlich mehr Details enthalten, schade eigentlich. Nach dem Rundgang, der aufgrund der vielen anderen Gäste diesmal auch ziemlich unruhig war, möchten wir uns noch das Feature zu Murder on the Rock über einen sehr gewalttätigen Insassen mit anschließender Demonstration der Schliessanlage anhören. Die Beiträge des Park Rangers sind für meine beiden Mitreisenden so gut wie nicht zu verstehen, zu schnell und gehetzt erzählt der Ranger die Geschichte eines armen Kerls aus ärmlichen Verhältnissen, der überall nur angeeckt ist, bis er nach einer schon sehr gewalttätigen Zeit bei der Army schließlich in Alcatraz landete, wo er am Ende einen Mithäftling ermordete. Erst nach der Verlegung in eine Resozialisierungseinrichtung wurde aus dem Mann ein geradezu mustergültiger Christ und Familienvater. Bis hier hin vielleicht noch etwas zu banal, der Schlußkommentar des Rangers, dass man Geschichten wie diese zum Anlass nehmen sollte, die Politik der Strafverfolgungsbehörden in den USA mal unter die Lupe zu nehmen und ggf. anzupassen, verwundert uns dann doch ein bisschen, ebenso, dass die angekündigte Demonstration der Schliessanlage heute wohl kommentarlos entfällt.

Zurück an Land entdecken wir einen der markanten Unterschiede zwischen San Francisco und Las Vegas vor dem Hintergrund amerikanischer Großstädte. Wenn in Las Vegas um 22:00 Uhr viele erst ihre Hotelzimmer verlassen, um sich – ganz egal ob am Wochenende oder unter der Woche – ins Nachtleben zu stürzen, ist in San Francisco um diese Zeit auch in einem belebten Touristenviertel wie der Fishermans Wharf schon Schicht im Schacht. Natürlich sind ein paar der besseren Lokale noch immer geöffnet, aber für den hungrigen Knastrückkehrer gibt es im Bereich Street Food nur noch das, was man sich jetzt mit den Möven teilen müsste, und da die hier ziemlich fett und sicher auch sehr energisch sein können, gehen wir lieber hungrig zurück ins Hotel und essen was von unseren Vorräten, darunter ein gar köstliches Stück Moon Cake für mich.

Unser zweiter Tag in San Francisco beginnt mal wieder früh, nicht zu früh, wie wir herausfinden, denn das von uns ausgewählte Frühstückscafé nahe unseres Hotels füllt sich nach unserem Eintreffen fast schlagaritg bis auf den letzten Platz. So gestärkt wollen wir uns mit der Cable Car auf den Weg hinunter an den Pazifik machen, wo wir die Stadtrundfahrt mit Big Bus Tours beginnen wollen. Leider ist der Zug, auf den wir ohnehin schon ziemlich lange warten müssen schon so voll, dass wir als Einstiegspunkt für die Fahrt den nahegelegenen Union Square auswählen. Beim Anblick unserer PrintHome Tickets von GetYourGuide herrscht zunächst allgemeine Verwirrung bei den diversen Mitarbeitern der Tourbusbetreiber. Mit “Is this our company?” hält jeder dem anderen mal einen Voucher unter die nase und alle kucken sich nur an. Auf die Idee, einfach mal mit einem Barcode-Scanner den QR-Code zu scannen und zu validieren kommt erst der Supervisor, der seinen Titel daher scheinbar zu recht trägt. Als wir endlich unsere Legitimität bestätigt haben und nicht weiter als blinde Passagiere gelten (oh, das ist witzig!), sind alle Plätze auf dem Oberdeck schon belegt und wir finden nur im dunklen Innenraum des Busses noch einen Platz. Wir fahren erst mal mit bis zum Übergang zur Sausalito Loop, ich wollte gerne der Ansiedlung von Hausbooten dort mal einen Besuch abstatten. Der Bus fährt aber nur durch Downtown, wo wir zwar aussteigen und ein bisschen umherschlendern, was aber, abgesehen von recht teuren Boutiquen, nicht so viel zu bieten hat. Die Hausboote sehen wir erst, als wir mit dem Bus wieder zurückfahren, dort ist aber kein extra Stop eingeplant. Schon komisch, wie hier manchmal gewichtet wird, ist doch diese Ansiedlung von Hippies und sonst wie übrig gebliebenen das, was man im Netz als erstes findet, wenn man sich über diesen Vorort von San Francisco informiert.

Wir absolvieren eine weitere halbe Runde mit dem Bus, was angesichts der Verkehrslage hier eine wirklich zeitraubende Angelegenheit ist. Künftig würde ich hier lieber selbst eine Route der relevanten Sehenswürdigkeiten erstellen und dann jeweils ein Uber oder Lyft rufen, um den Transport von A nach B zu übernehmen, das wird dann in der Summe auch nicht mehr kosten, wie die Tickets für den Bus. Diesmal können wir aber schön oben in der Sonne sitzen, San Francisco zeigt sich heute von seiner eher einladenden Seite, der Himmel über der Stadt ist nahezu wolkenlos. Wieder zurück an den Piers statten wir erst mal den Seelöwen einen Besuch ab. Im Sea Lion Center wollen wir uns erklären lassen, was es mit den Tieren auf sich hat, erfahren aber, dass man es eigentlich auch nicht so genau weiß. Irgendwann nach dem großen Erdbeben von 1989 waren die Tiere plötzlich da, die bis dahin auf einer weiter vorgelagerten Insel beheimatet waren. Die Pier-Verwaltung wollte sie zunächst entfernen lassen, angesichts ihres Status als Besuchermagnet durften sie aber bleiben und haben inzwischen einen festen Platz als Attraktion.

Nächstes Ziel ist Height Ashbury, ein sehr alternatives Viertel mit viel Second Hand und Vintage in den Läden und einer überall umherwabernden Wolke, die man sonst so nur beim Umherstreifen in Amsterdam kennt. Von hier aus nehmen wir nach einem ausgiebigen Streifzug und einem günstigen Lunch in einem mexikanischen Restaurant einen der letzten Busse zurück zur Basis, wo wir dann auf einen Bus für die nächtliche Panoramafahrt umsteigen wollen.

Wir bekommen einen Platz auf dem Bus um 19:30 Uhr, das angekündigte Panorama beschränkt sich aber eher auf beleuchtete Straßenschluchten, die der Bus angesichts des dichten Feierabendverkehrs überwiegend im Schritttempo durchschleicht. Gegen Ende fahren wir noch über eine endlos lang wirkende zweigeschossige Brücke, in deren von den Verstrebungen gebildeten Unterständen ganze Horden von Obdachlosen ihre Behausungen errichtet haben. Nach einem Stop auf einem Parkplatz mit Ausblick auf das beleuchtete nächtliche San Francisco geht es zurück zu den Piers.

Ich wollte für unser Dinner heute gerne noch mal Richtung Chinatown in eines der über hundert Restaurants dort, angesichts der schwindenden Gesundheit vom Schafi und weil eigentlich auch keiner so richtig Hunger hat, gibt es eine Planänderung und wir schneien nur kurz beim Superbäcker Boudin rein, um uns dort eine Pizza zu holen, die wir uns dann teilen können. Hier hätten wir uns dann aber doch deutlich mehr erwartet, die Pizza für 12 $ hat die größe einer geschrumpften Version eines Pendants von Wagner und schmecken tut sie auch nicht besser. Keine Ahnung, womit dieser Laden so berühmt geworden ist.