Eine Liebe auf den zweiten Blick (12. / 13.9.)

Wenn man über das Bryce Trails B&B noch etwas positives sagen möchte, dann wird man sich wohl auf das Frühstück beschränken müssen, denn auch wenndas mit Kokos-Creme gefüllte frische Croissant und das hausgemachte Joghurt-Parfait mit Granola dem ein oder anderen doch etwas zu mächtig war, geschmeckt hat es gut, wir haben jedoch versucht, uns nicht zu viele Gedanken über die näheren Umstände der Produkton und der Produktionsstätte zu machen. Auch die Lage des Anwesens ist natürlich immer noch ein großer Pluspunkt, und wir waren auch schon vor dem Frühstück vor der Tür, um gleich ein paar Fotos im Sonnenaufgang zu schießen. Schnell fielen uns aber die überquillenden Mülleimer vor dem Haus auf, eine echte Schande, was die aktuellen Besitzer dem B&B hier antun und wir werden nach unserer Rückkehr mal ein unverbindliches Angebot für die Übernahme schicken.

Beim Frühstück hatten wir nette Gesellschaft vom Pärchen, das wir schon am Vorabend kennenlernen durften. Den passionierten Hikern ist es schließlich auch gelungen, die ängstlichen Naturen in unserer Gruppe davon zu überzeugen, dass ein Abstieg in den Canyon die Mühen definitiv wert ist und dass man auf den von mir vorausgewählten Trails auch keinerlei bedenken haben müsste. So machen wir uns also vor unserer Weiterfahrt nach Vegas noch mal auf an den Rand des Canyon und verbringen den Vormittag auf einem der Loop Trails, der uns in die Schlucht hinunterführt und dabei zahlreiche tolle Fotos beschert. Das Timing ist wieder mal perfekt und die sich während unseres Aufstiegs über der Schlucht zusammenziehenden Wolken entladen sich erst mit für unsere Breiten unüblicher Heftigkeit, als wir schon wieder in unserem Auto sitzen.

Auch auf der Strecke nach Vegas gibt es landschaftlich wieder viel zu bestaunen, richtig spannend wird es dann aber erst kurz vor dem Erreichen unseres Ziels. Unser Hotel, das MGM Grand, liegt auf der entgegengesetzten Seite des insgesamt 12-spurigen Las Vegas Boulevard, und die Anfahrt dort hin gelingt erst im zweiten Anlauf. In Erinnerung bleiben werden wir mit unseren ungewöhnlichen Verkehrsmanövern jedoch freilich niemandem, hier fahren sowieso alle, wie sie wollen.

Vom Landemanöver noch etwas mitgenommen drücken wir unser Auto dem ersten Mitarbeiter vom Valet Parking Service auf’s Auge und ziehen mit unserem Gepäck in die mal gar nicht so kleine Lobby des MGM Grand ein. Sofort hat man das Gefühl, als würde hier an jeder Ecke und in jeder kleinen Nische eine eigene Party stattfinden. Überall läuft Musik, und nicht für die Hintergrundbeschallung, sondern richtig laut, so dass sich die Hotelangestellte und ich beim Check In schon anschreien müssen, um uns über die Formalitäten zu verständigen. Diese eröffnen zunächst mal den zum Glück bereits bekannten Umstand, dass das vermeintlich günstige Hotel durch 80 $ Resort Fee und 20 $ Parkgebühr pro Tag dann doch zu einer Unterkunft der oberen Mittelklasse wird, wenigstens am Preis gemessen. Ein Upgrade erhalten wir trotz unseres Aufenthalts unter der Woche leider nicht und so ziehen wir direkt in unser sehr geräumiges und im Vergleich mit dem zum Vortag blitzsauberes Zimmer ein. Das Herdenbaby hat seinen seit der Ankunft offenstehenden Mund erst mal wieder zugeklappt, ist aber aufgrund der offensichtlichen Reizüberflutung erst mal sehr still, auch mal schön :-).

Nach dem sich alle erst mal etwas frisch gemacht haben, geht es dann auf die erste Erkundungstour am Las Vegas Strip. Die Sonne steht schon sehr tief und bald beginnt die Stadt im für sie einzigartigen Glanz von Millionen von Lichtern zu erstrahlen. Ich merke schnell, dass mir diesmal die Menschen, der Trubel und der Lärm nicht so sehr zusetzen, wie bei meinem ersten Besuch von vor sieben Jahren, eigentlich finde ich das Pulsieren um mich herum gerade als richtig angenehm, lediglich die Mondpreise, die hier sogar in landesweit vertretenen Supermarktketten aufgerufen werden, erwecken etwas Unmut. Wir sehen uns erst mal einen Durchlauf der Wasserspiele vor dem Bellagio an und ziehen dann weiter in einen Food Court, in dem man satt wird, ohne gleich obdachlos zu werden. Das gesparte Geld wird natürlich sofort im Hard Rock Café in ein ortsbezogenes Kleidungsstück reinvestiert. In der Hoffnung, vielleicht noch eine der anderen hoteleigenen Shows erleben zu können, setzen wir unseren Weg am Strip weiter fort, erfahren dann aber, dass der Vulkan am Mirage heute nicht mehr ausbrechen wird und dass die Sirenen am Treasure Island schon lange nicht mehr singen, weil dort eine Darstellerin während der Show verstorben ist, ein Fakt, den wir bei nächster Gelegenheit noch mal googeln müssen. Wir beschließen also erst mal das zu tun, was hier wohl jeder tut, um mehr oder weniger große Schicksalsschläge zu verarbeiten, wir kaufen uns einen 32 oz Becher mit irgend einem Cocktail und setzen uns an den Rand des Strips für etwas People Watching. Und gemessen an dem, was man hier zu sehen bekommt, ist der Cocktail schon wieder vergleichsweise günstig, wenn man den Betrag als eine Art Eintrittsgeld betrachtet. Von der frisch vermählten Braut im Hochzeitskleid bis zum halbnackten Bodybuilder zieht eine ganze Karavane an Einzelschicksalen vorüber. Ergänzt wird diese durch die meist weniger glücklich dreinblickenden Gestalten, die sich zur inzwischen fortgeschrittenen Stunde sehr zahlreich an einen der noch zahlreicheren Spielautomaten klammern. Eine für die Amis geradezu typische Anekdote erleben wir dann noch kurz bevor wir in unser Hotel zurückkehren. Beim Versuch, ein typischerweise eher gering alkoholisiertes Mixgetränk in einem Supermarkt zu erwerben, wird vom Herdenbaby eine Photo ID an der Kasse gefordert, im übrigen ein Prozess, der sich nicht flächendeckend über alle Verkaufsstellen für alkoholische Getränke erstreckt. Der Pass liegt natürlich im Hotelzimmer, lediglich ich habe meinen Pass dabei und lege ihn vor, in der Absicht das Getränk zu bezahlen. Geht aber nicht, wie uns die Kassiererin nach Rücksprache mit dem Manager erklärt. Die Kamera, die hier die Verkaufsvorgänge überwacht, hat das Herdenbaby bereits als potentiellen Übeltäter ausgemacht und aufgezeichnet, alle weiteren Vorgänge würden nur als Maßnahmen der Verschleierung einer Straftat ungeahnten Ausmaßes gewertet werden, eine Evakuierung des Ladens und sich vom Dach abseilender Special Forces sei möglicherweise nicht auszuschließen. Da die vor sich hinqualmenden Trümmer des in Schutt und Asche gelegten Gebäudes die anderen Gäste am Strip beim Flanieren stören könnten, möchten wir doch bitte auf den Erwerb des Alkohols verzichten, meint der Manager. Machen wir natürlich auch und kaufen ihn eine Türe weiter, ganz ohne Photo ID und Unruhe für die Nachtschicht beim FBI.

Der nächste Tag beginnt mit einer Erkenntnis. Ich weiß jetzt, warum hier alles etwas teurer ist, als anderswo. Toilettenschüsseln, die sich von selbst mit neuer antibakterieller Folie überziehen und sich selbst säubern, wenn man seinen Hintern hebt, Waschbecken, die zuerst Seife aus einem Hahn laufen lassen und danach Wasser, ohne dass man etwas berühren muss, das alles hat sicher seinen Preis und irgendwer muss ihn bezahlen, in diesem Fall halt wir. Ungeklärt, weil wir gerade schon bei sanitären Einrichtungen sind, ist bislang aber noch die Frage, ob es sich einfach um amerikanische Angeberei handelt, oder ob Thyrion Lannister hier die Toilettenschüsseln montiert hat. Diese hängen nämlich meist irgendwo zwischen Knie und Ferse.

Zu den Dingen, die wiederum nur selten Überraschung mit sich bringen, gehört das typische amerikanische Frühstück, das wir uns heute im Food Court des MGM Grand gönnen wollen. Die Energie, in einer Stadt wie Las Vegas noch vor dem ersten Kaffee eine für uns Foodies geeignete Location zu finden, haben wir gerade nicht. Und wenn man dann an einem nahezu beliebigen Ort ein Cheese Omelette bestellt, kann man sich sicher sein, dass es mindestens zwei Leute für einen halben Tag ernährt. Nach dem Frühstück haben wir es eilig, einen Schalter der Tix4Tonight Gruppe anzusteuern. Wir würden gerne noch ein paar Tickets für eine der abendlichen Shows zu einem realistischen Preis ergattern. Vor sechs Jahren habe ich die Karten für die Show von Criss Angel vorbestellt und war angesichts der gebotenen Leistung doch reichlich ernüchtert bis enttäuscht, wenn man bedenkt, dass hier für zwei Tickets ca. 350 $ anfallen. Zum Glück ist schon vor dem eigentlichen Verkaufsbeginn um 10 Uhr reger Betrieb am Stand von T4T, leider erfahren wir so aber auch schnell, dass die von uns favorisierten Shows des Cirque de Solei in dieser Woche pausieren. Der Notbehelf, besagter Criss Angel mit seiner Magieshow, der sich in sechs Jahren ja wohl hoffentlich ein paar neue Programmhighlights überlegt hat, fällt leider auch aus. Er würde am Abend zwar sogar zwei Mal auftreten, die Ersparnis für die Tickets ist aber so gering, dass wir uns dazu entscheiden, unser Geld lieber anderweitig auszugeben.

So gesprochen besteigen wir kurze Zeit später ein Taxi von Lyft, das uns in die Premium Outlets South befördert. Dort verbringen wir die nächsten Stunden mit der Jagd nach günstigen Klamotten, der eine mit mehr, der andere mit weniger Erfolg. Ein Lyft, by the way eine sehr günstige Transportalternative, bringt uns anschließend zurück in unser Hotel, wo wir aber nur schnell unsere Beute abwerfen und uns dann auf den Weg ins Mirage zum Secret Garden von Siegfried und Roy machen. Das Gute an dieser Einrichtung: Es sind wirklich atemberaubend schöne Tiere.

Weil wir schon mal in der Gegend sind, bleiben wir auch gleich noch hier, um den gestern verpassten Ausbruch des Vulkans zu erleben. Wir sind früh dran und ergattern so Plätze in erster Reihe, was ein paar Touristen aus China, die hier zunehmend eine Vormachtstellung zu übernehmen scheinen nicht daran hindert, uns mal nach links, mal nach rechts zu drängeln.

Die Entscheidung für unseren letzten Abend in Vegas fällt schließlich auf einen Besuch der Freemont Street, den Teil der Stadt, der früher das eigentliche Zentrum des Vergnügens gebildet hat. Weil es so schön unkompliziert und günstig ist, greifen wir auch hier auf einen Fahrer von Lyft zurück, ganz nebenbei ergeben sich so auch immer sehr informative Gespräche mit den Locals.

In der Freemont Street Experience angekommen sind wir erst mal wieder überwältigt von der Art und Weise, wie sich diese Stadt hier inszeniert. Auf einer von einer riesigen Anzeigefläche überdachten Strecke von etwa vier Blocks befinden sich diverse Shops und Casinos, dazwischen jeweils Bühnen, auf denen Bands bei für deutsche Innenstädte absolut undenkbarer Lautstärke das Publikum unterhalten. Dabei bin ich einmal mehr sehr überrascht von der unterschiedlichen Art und Weise, wie solche Veranstaltungen hier klanglich präsentiert werden, im Unterschied zu meiner Heimat. Würden deutsche Konzertveranstalter eben so viel Wert auf eine klare und klanglich Differenzierte Darstellung ihrer Acts legen, würde auch ich noch öfter mal für ein Konzertticket zahlen.

Natürlich herrscht aber auch in der Freemont Street absolute Reizüberflutung für den maximal an Netflix gewöhnten Mitteleuropäer, nach zwei Stunden treten wir den Rückweg an, auch wenn die letzte Band die wir sehen, untypischerweise eine Countryrock-Coverband, richtig genial ist. Die Organisation der Rückfahrt gestaltet sich aufgrund meines inzwischen völlig aufgebrauchten Data Plans nicht so einfach. Die in dieser Region zur Verfügung stehenden öffentlichen Wifis sind scheinbar aufgrund der vielen Nutzer überlastet und es gelingt mir nicht, mich irgendwo einzuloggen, nicht mal der nahegelegene Schachtelwirt hat ein brauchbares freies Netzwerk. Unsere Rettung bringt schließlich ein Fahrer von Lyft, der einen mobilen Hotspot an Bord hat, den wir benutzen dürfen, natürlich will er uns im Gegenzug auch nach Hause chauffieren, für uns kein Problem, denn er erweist sich als mit Abstand lustigster Chauffeur, den wir bisher hatten. Er kommt aus dem Backcountry von Philadelphia, und weil wir dort auch schon unterwegs waren, haben wir schnell ein fruchtbares Thema.

Zurück im MGM warten eigentlich noch zwei ToDo’s auf uns. Das erste, nämlich die Beschaffung eines der hier allgegenwärtigen Riesenbechers mit einem Frozen Cocktail, wobei eigentlich nur der Becher von Interesse wäre, scheitert . Der einzige Laden, den wir heute noch bereit wären, zu Fuß aufzusuchen, ist schon geschlossen. Ja, man will es eigentlich nicht für möglich halten, aber auch so etwas scheint es hier zu geben. Also geht es gleich weiter Richtung Hotelzimmer, natürlich nicht ohne dabei durch das Casino zu müssen. Angesichts der Tatsache, dass sich hier auch viele Familien mit kleinen Kindern aufhalten, die ihre Kinderwägen bei jedem Gang aus dem Hotel durch die Casino Area schieben müssen, in der – wie beinahe über all in Vegas – auch geraucht werden darf, erscheint diese Strategie der gewinnorientierten Besucherführung gerade für die sonst so umsichtigen Amis noch fragwürdiger. Auch wir würden gerne noch ein bisschen Zocken, die inzwischen gut gefüllten Spieltische, das Gewirr aus Stimmen und Hintergrundmusik und die sich einstellende Müdigkeit lassen uns nach einer kurzen Phase des Beobachtens zu dem Schluss kommen, dass wir hier eigentlich nur verlieren können. Unser Fahrer möchte Vegas zudem gerne sehr früh am Nächsten Morgen verlassen, wir holen uns also noch eine der kleinen Minitorten als Ersatzbefriedigung für die entgangenen Freuden und verschwinden in unserem Zimmer.

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