Tal des Todes (14.9.)

Unser Abschied von Las Vegas, der Stadt die niemals schläft, vollzieht sich beinahe unspektakulär, verglichen mit dem Schreckmoment bei unserer Ankunft. Auto vom Parkservice holen, Koffer rein und zwei mal abbiegen, schon sind wir auf der Interstate Richtung südwesten unterwegs, die uns fast bis an unser heutiges Tagesziel, die Furnace Creek Ranch inmitten des Death Valleys bringen soll.

Es hätte vermutlich keinerlei Unterschied gemacht, aber wir wollten direkt nach dem Aufstehen erst mal raus aus der Stadt, auch wenn es hier so etwas wie Berufsverkehr wohl nicht zu geben scheint. Dem Umstand einer frühen Abreise geschuldet sind wir jedoch erst mal bemüht, einen etwas außerhalb gelegenen Ort für unser Frühstück anzusteuern. Beim gestrigen Blick auf den Routenverlauf habe ich entdeckt, dass unsere Fahrt über Indian Springs führt, das wir schon von einem früheren Aufenthalt kennen, damals gab es dort ein typisch amerikanisches Diner mit gutem und preiswertem Frühstück, also nix wie hin. Am Ziel erleben wir aber wieder mal eine Enttäuschung, sechs Jahre bringen wohl doch die ein oder andere Veränderung mit sich, das Diner existiert nicht mehr und die einzige Alternative, eine schummrige Kaschemme ein paar Meter weiter die Straße runter öffnet erst um zehn. Wir fahren also weitere 40 Minuten ohne Kaffee dahin (gar nicht gut!) und stoßen schließlich im Amargosa Valley auf das Area 51 Alien Center, wo es auch ein kleines Diner gibt, Aliens müssen schließlich auch hin und wieder was zu sich nehmen. Der Name spielt aber vielleicht auch auf die ganzen komischen Touris an, die hier vorbeikommen. Wir müssen vergleichsweise lange auf das an sich einfache Frühstück warten, hier regiert eher die Gelassenheit des großen Nichts, das vor uns liegt. Vielleicht wird man aber auch so, wenn man auf das Eintreffen von Außerirdischen wartet.

Im Death Valley Nationalpark liegt unser erster Stop auf einem der höchsten und schönsten Aussichtspunkte auf das bad Water Basin, dem Dante’s View Point. Obwohl es schon fast Mittag ist, ist es hier oben zwar richtig schön warm, aber auch nicht zu heiß, das Thermometer unseres Autos zeigt etwas um die 70 Grad Fahrenheit. Auf dem Weg hinunter ins Tal klettert die Anzeige dann schrittweise auf etwas über 90 Grad. Um rechtzeitig am Treffpunkt für unsere nächste Tour anzukommen, überspringen wir unseren geplanten Halt am Zabriskie Point und fahren direkt weiter nach Furnace Creek, wo wir direkt das Büro von Farrabee Jeep Rentals ansteuern. Wir haben eine Tour mit einem ihrer Fahrzeuge samt Guide gebucht. Die meisten interessanten Bereiche des Valleys lassen sich tatsächlich nur sinnvoll mit einem Offroad-tauglichen Fahrzeug erkunden, das wollten wir uns und unserem gemieteten Dodge nicht antun.

Bei der Ankunft informiert uns unser Guide erst mal darüber, dass das ursprüngliche Ziel unserer Tour, der Titus Canyon, leider wegen Überflutung geschlossen ist, ein Umstand, den man sich angesichts der einen umgebenden landschaftlichen Ödheit und der herrschenden Temperaturen nicht richtig vorstellen mag. Jesse James (ja, der Kerl heißt tatsächlich so) hat als erfahrener Offroader aber natürlich eine sehenswerte Ersatzroute für uns gewählt und wir klettern in den schönen roten Jeep, der kurz nach dem Erklimmen der ersten Steigung im Gelände auf den Weihnachtswunschzettel des Herdenbabys wandert, ich hoffe, wir dürfen ihn uns dann auch mal ausleihen.

Wir fahren ca. vier Stunden durch das abseits geteerter Straßen liegendes Gelände und ich bin wieder mal erstaunt darüber, dass man hier vier Stunden verbringen kann, ohne einem anderen Menschen zu begegnen. Während der Tour erfahren wir viel interessantes über Flora und Fauna, sowie über die Geschichte der Region. Eigentlich ist die komplette Region durchzogen von mehr oder weniger großen Stollen aus der Zeit des großen Goldrausches, auch Mineralien und weniger edle Metalle wurden hier aus dem Fels geholt. Wir können noch ein paar Überreste alter Holzhütten bestaunen sowie diverse Eingänge zu alten Mienen, mal mehr oder weniger gut verschlossen. Das Herdenbaby erkundigt sich auffallend oft nach den krabbelnden und kriechenden Bewohnern, auf die man hier eventuell treffen könnte. Die Gefahr, dass sie sich mal auf den Weg macht, um einen der stillgelegten Stollen zu erkunden, besteht angesichts der plastischen Schilderungen unseres Guides vermutlich eher nicht.

Um fünf beziehen wir unser Zimmer in der Furnace Creek Ranch. Es handelt sich um eine eher rustikale Anlage unter dem Management durch den Nationalparkservie. Die Zimmer sind ausreichend groß, dürften aber etwas sauberer sein. Von Vegas und den Temperaturen etwas ermüdet verbringt jeder die nächsten beiden Stunden erst mal irgendwo liegend oder sitzend, wobei ich einmal mehr feststellen muss, dass ich nicht vergessen darf, mir ein paar Flaschen des hiesigen Klimas in den Koffer zu packen, das ist genau mein Wetter hier.

Auf dem Gelände der Ranch gibt es zwei Futterplätze. Das im Internet nicht gerade angepriesene Buffetrestaurant lassen wir angesichts der pro Person aufgerufenen 25 $ gleich mal links liegen und entscheiden uns für den rustikaleren und preisgünstigeren Saloon. Die in der Broschüre der Anlage offerierte Pizza, auf die wir uns alle schon insgeheim etwas gefreut hatten, gibt es heute leider nicht, der Pizzaofen wurde kürzlich abgebaut. Unser Waiter sorgt zunächst mal für etwas Verwunderung bei uns, da alle am Tisch, einschließlich mir, nur Wasser als Gertänk bestellen. Mein “I stay with the water” wird von ihm aber mit einem “Corona is an excellent choice” quittiert und er ist davongeeilt, ehe ich widersprechen kann. Scheinbar muss ich doch noch mehr an meiner Aussprache arbeiten. Die Auswahl an Gerichten ist eher klein, neben zwei Salaten gibt es nur Chicken Wings und frittierte Chicken Tenders, was wir dann auch ordern und ohne weitere Missverständnisse auch bekommen. Einen Glücksmoment der besonderen Art darf ich noch erleben, als wir das bestellte Wasser bekommen, das heute erstmals wirklich sehr intensiv nach Chlor schmeckt. Das Herdenbaby bemerkt dies prompt und wundert sich. Mir fällt spontan eine gute Geschichte dazu ein. “Na in diesen trockenen Gegenden müssen die halt sehr am Wasser sparen. Und wenn das Chlorwasser für die Pools getauscht werden muss, dann machen die aus dem alten Wasser ihre Eiswürfel.” Gesicht vom Herdenbaby: unbezahlbar!

Der General Store auf dem Gelände der Ranch, den ich preislich eher in der Apotheken-Liga eingestuft hätte, offeriert eine kleine Auwahl an Craft Bieren, die wir natürlich probieren müssen. Das Death Valley ist der Ort mit der geringsten Lichtverschmutzung in den USA, weshalb man hier sehr oft einen tollen Sternenhimmel zu sehen bekommt, dankenswerterweise auch heute Abend. So machen wir es uns nach dem doch etwas kärglichen Abendessen mit unseren Bieren an einer Feuerstelle hinter unserer Veranda auf einer Outdoor-Lounge-Garnitur gemütlich und gucken in die Sterne. Nach und nach erlöschen die Lichter der anderen Zimmer um uns herum und ich packe die Kamera auf das Stativ um ein paar Langzeitaufnahmen für zu Hause zu machen. Um elf Uhr liegt die Temperatur noch immer bei 34 Grad, kaum vorstellbar, dass es hier im Winter tatsächlich auch mal schneit, auch wenn der Schnee natürlich nicht liegen bleibt.

Das Death Valley trägt seinen Namen übrigens eigentlich zu unrecht, denn tatsächlich starben und sterben hier nicht mehr Menschen, als andernorts auf der Welt. Früher traf es überwiegend die Prospectors, die, teils schlecht ausgerüstet, teils ohne gute Wasserversorgung, die klimatischen Bedingungen unterschätzten. Heute sind es hingegen Touris, die – ebenfalls sich selbst überschätzend – bei der hier vorherrschenden absoluten Finsternis des Nachts mit hoher Geschwindigkeit die vermeintlich schnurgeraden Straßen entlangrasen – bis sie dann von einer Kurve überrascht werden.

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